Position der AG Allertal im NABU zur Entwicklung dieses Flusstales

Fließgewässer und ihre Auen besitzen den höchsten Erlebniswert der Erholungslandschaften. Sie beheimaten neben dem Wattenmeer den größten Artenreichtum. Damit erfüllen sie eine wichtige Aufgabe für die Erhaltung unserer noch frei lebenden Tier- und Pflanzenarten und tragen zugleich zur Verbesserung der Lebensqualität für uns Menschen bei.


Mehr als alle anderen Landschaften Niedersachsens wurde der Naturraum der Fließgewässer und der Auen vom Menschen verändert und teilweise sogar vernichtet. Die wasserbaulichen und zum Teil schwerwiegendsten Eingriffe gingen von den Aller-Leine-Oker-Plan und von einer nicht standortangepassten landwirtschaftlichen Nutzung der Aue aus. Weite Bereiche und viele spezifische Strukturen dieser Region haben ihren Charakter weitgehend verloren oder sind künstlich ersetzt worden.


Damit die Fließgewässer ihre ökologische Funktion erfüllen können, muss vor allem die Waserqualität unbelastet sein (hier Güteklasse 2) und die Struktur des Flussbettes so beschaffen sein, dass sie keine unüberwindbaren Hinternisse für wandernde Tierarten und sich ausbreitende Pflanzenarten darstellen. Für das Allertal liegt muttlerweile eine Studie der zustänidgen Bundes- und Landesbehörden (1) vor, wie diese ökologischen Funktionen an der Aller zukünftig wieder hergestellt oder verbessert werden können. Ziel des NABU ist es, das Interesse möglichst vieler Menschen für diese Vorschläge zu wecken und damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Vorschläge auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden. Dazu wird der NABU mit seinen an der Aller liegenden Ortsgruppen einzelne kleine Pilotprojekte durchführen, die am Ende beschrieben sind. Herzlich laden wir interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, sich an diesen NABU-Pilotprojekten zu beteiligen.

Allerschleife bei Bosse mit Böhmemündung
Allerschleife bei Bosse mit Böhmemündung
Allerbogen in Eilte mit Eilter Mühle
Allerbogen in Eilte mit Eilter Mühle
Aller am Wiehezug vor Hodenhagen
Aller am Wiehezug vor Hodenhagen


NABU-Ziele für unsere Aller von morgen

Nach den Vorstellungen des NABU sollten im Einzelnen folgende Zielvorstellungen für das Allertal verfolgt werden, um für die Allerniederung eine Entwicklung hin zu einem naturnäheren Zustand zu erreichen. Dies kommt auch in den entsprechenden Landesprogrammen zum Ausdruck, u. a. Niedersächsisches Landschaftsprogramm, Niedersächsisches Fließgewässerprogramm, Fischotterprogramm, Weißstorchprogramm.

Wiederherstellung auentypischer Strukturen mit ihren typischen charakterischen Lebensräumen wie z.B. Feuchtgrünland, Auwälder, Altgewässer, Senken, Flutrinnen usw.

Dieses wird erreicht durch die Wiederherstellung von Tümpeln, Teichen, Senken, Flutmulden und durch Förderung von neuen Feuchtgrünland- und Auwaldsstandorten in den natürlichen Grenzen der Alleraue. Die Maßnahmen dienen zugleich der Aufnahme und Rückhaltung von Hochwässern und der Entschärfung von Abflussscheiteln. Für die Reaktivierung von Retentionsflächen sind sowohl die Rückverlegung bestehender Deiche als auch die punktuelle Öffnung von Sommer- und Winterdeichen dort erforderlich, wo Auswirkungen auf vorhandene Ortslagen ausgeschlossen werden können. Durch die Verlegung der Deichlinien verringert sich die schädliche Trennwirkung zwischen Fluss und Aue, so dass die natürliche und vielfältige Wechselbeziehung wieder ermöglicht wird.

Wiederherstellung der natürlichen Gewässerdynamik

Dieses soll erreicht werden durch die Beseitigung von Uferbefestigungen und Buhnen, durch Verminderung von Unterhaltungsmaßnahmen und Schaffung von ausreichend breiten Uferrandstreifen, die frei sind von jeglicher Nutzung. Hierdurch werden die natürlichen Erosions- und Sedimentationsprozesse und die Entwicklung typischer Gewässerstrukturen wie z.B. Kies-, Sand- und Schlammbänke, Prall- und Gleitufer, eine hohe Strukturvielfalt im Ufer- und Staudenbereich und weiterhin eine naturgemäße Linienführung ermöglicht.

Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit

Um die ökologische Durchgängigkeit der Aller und ihren landesweiten Zuflüssen zu erreichen, sind Wanderungshindernisse zu beseitigen oder wenigstens so umzugestalten, z.B. durch Fischwanderhilfen, dass ein biologischer Austausch uneingeschränkt wieder möglich wird.

Erhaltung und Entwicklung der auen- und fließgewässertypischen Strukturen

Hierzu gehören u.a.


  • die Verbesserung der Wasserqualität, z.B. Vorklären und Versickerung des Niederschlagwassers von Straßen und Plätzen vor Ort,
  • der Rückbau der Uferdeckwerke und Buhnen an Gleitufern, wodurch der Fluss die Möglichkeit zurückerhält, dort strukturreiche Ufer und ein vielgestaltiges Flussbett auszubilden,
  • der Rückbau der Flussquerbauten, zumindest die Schaffung von Umgehungsgerinnen, wodurch die biologische Durchgängigkeit zwischen Quelle und Mündung sicherzustellen ist,
  • der Wiederanschluss und die Wiederherstellung von Altgewässer
  • die naturschonende Gewässerunterhaltung, z.B. Erhalt von abgelagertem Kies, Sand und Schlamm,
  • auch in Buhnenfeldern,
  • Erhalt der Wasser- und Ufervegetation,
  • die Nutzung der Wasserkraft nur, wenn sie gemäß ökologisch-orientierter Kosten-Nutzen-Analyse umweltverträglich ist,
  • das Vernässen von geeigneten Grünländern und Brachen, die Entwicklung von Feuchtgrünlandflächen, Reaktivierung von Senken und Flutmulden und der Wiederanschluss und die Wiederherstellung von Alt- und Auengewässern, wo es technisch und ökologisch vertretbar ist,
  • die Schaffung von Auengewässern und angemessenen Randstreifen, wobei Randstreifen vielerorts bereits durch die Herstellung von viehkehrenden Zäunen gesichert werden können,
  • weitestgehende Rückverlegung bzw. Öffnung von Sommerdeichen, Verwallung und Hauptdeichen zur Schaffung möglichst großflächiger Überflutungsräume unter der Prämisse "Sicherung des Hochwasserschutzes durch Objektschutz statt Flächenschutz", wobei das Reaktivieren von eingedeichten Auwäldern hohe Priorität besitzt,
  • das Zulassen der Sukzession in allen Auenbereichen,
  • die Förderung der umweltverträglichen Landbewirtschaftung, wozu in erster Linie die Umwandlung von Acker- in extensive Grünlandbewirtschaftung in den Überflutungsbereichen, die Beschränkung bzw. der Verzicht des Düngemittel- und Pestizideinsatzes und die Aufgabe der Nutzung von Gewässerrandstreifen gehören,
  • die Beschränkung des Schiffs- und Bootsverkehrs auf schonende Betriebsweisen z.B. durch Anpassen der Fahrzeugtypen und der Fahrgeschwindigkeit an den Fluss,
  • der ausnahmslose Vorrang der naturverträglichen und sanften Erholungsformen,
  • die Bündelung der Freizeiteinrichtungen und Hobby- und Sportausübungsbereiche (Camping, Wochenendhäuser, Bootsanleger, Angelgewässer usw.) und Lenkung des Verkehrs zu Wasser und in der Aue, insbesondere zum Schutz sensibler Bereiche  und während der Regenerations- und Entwicklungsphase,
  • das Ausweisen von Fischschutzzonen.

Beispiele praktischer Maßnahmen

Um die NABU-Ziele zu erreichen, sollen folgende Maßnahmen als nächstes eingeleitet werden:


  • Die Anpflanzung von Ufergehölzen dient der Uferstabilisierung, zum anderen kann sowohl durch die Beschattung die Unterhaltung zurückgenommen werden, als auch eine übermäßige Erwärmung von kleineren Gewässern vermieden werden.
  • Benennung von Uferbereichen, die deckfrei gestaltet werden können. Dies ermöglicht es dem Gewässer, zu seiner Eigendynamik zurück zu finden und vielfältige Lebensräume auszubilden. Auf Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen im und am Gewässer ist grundsätzlich zu verzichten. Wo erforderlich sind diese auf ein Mindestmaß zu beschränken, um eine Eigenentwicklung zu ermöglichen.
  • Zur Eigendynamik eines Fließgewässers gehört unabdingbar die strukturreiche Gewässerausbildung. Das Geschiebematerial (Sand und Steine) steht dem Gewässer für eine vielfältige Gewässersohle nur bei überwiegend unbefestigten Ufern zur Verfügung. Auskolkungen, Anlandungen, Sand- und Kiesbänke sind Ausdruck eines natürlichen Gewässerzustandes.
  • Die ausgebauten Nebengewässer sind zu renaturieren. Die Hanggräben und Drainagen sind mit dem Ziel zu bereitigen, das Grundwasser möglichst lange in der Aue zu halten und auch die ausgleichende Wirkung auf das angrenzende Einzungsgebiet zu fördern (Retention bzw. Stabilisierung des Gebietswasserhaushaltes).
  • Um die Entwicklung der natürlichen Vegetation zu ermöglichen bzw. zu erhalten, ist diese gegen Vertritt von Weidevieh abzuzäunen.

NABU-Position zu Landwirtschaft und Fremdenverkehr

Landwirtschaft

Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der ökologischen Ziele muss sein, den Landwirten als Bewirtschaftern in den beeinflussten Bereichen betriebsspezifische Umstellungs- bzw. Ausgleichsmöglichkeiten anzubieten. Dieses kann durch ein spezielles Betriebsflächen-Management und Grünlandprogramm (Extensivierungshilfen, Erschwernisausgleich u. ä.) erreicht werden. Die finanziellen Mittel sind entsprechend langfristig für die standortgerechte Grünlandnutzung bereitzustellen.


Fremdenverkehr

Eine Aller, die wieder ihre ökologische Funktion übernimmt (siehe dazu Leitlinie 1998), wird ein attraktives Angebot für einen naturorientierten Fremdenverkehr bilden. Ein solcher Fremdenverkehr nimmt eine naturnahe Aller als Erlebnis wahr, das es zu erhalten und zu bewahren gilt. Daher schließt sich ein Motorsportverkehr und eine naturnahe Aller gegenseitig aus (siehe Beispiel Jetski bei Hülslingen). Zukünftig sollten die Fremdenverkehrsbetriebe und -verbände ein entsprechendes regionales Angebot aufstellen, bei dem die ortskundigen NABU-Gruppen ihre Mitarbeit anbieten.

Der NABU steht mit seinen Gruppen als Maßnahmeträger für solche Pilotprojekte zur Verfügung, die der Verband für wichtig erachtet:

  1. Sommerdeichöffnung und Reaktivierung des Auwaldrestes von Barnstedt
  2. Der NABU hat dieses Projekt im Herbst 1999 durchgeführt. Der Auwald ist jetzt vollständig an das Wasserregime der Aller angeschlossen. Näheres hierzu ist zu leben in "Naturschutz heute", Ausgabe Nr. 2/00
  3. Reaktivierung eines alten Aller-Seitenarms bei Hülsen/Häuslingen
  4. Der NABU hat bereits die Zusage der WSA Verden, dass im ehemaligen Mündungsbereich die Steinschüttungen entfernt weren können. Bei Bedarf kan auch das Aufgraben in diesem Bereich erfolgen, um den Durchfluss zu initiieren.
  5. Wiederanschluss eines Altgewässers an die Aller gegenüber Donnerhorst und Schaffung eines Randstreifens
  6. Der NABU bereitet dieses vor mit der Ermittlung der Nutzungsberechtigten und Einholung der Genehmigungen und Kostenanschläge. Die Finanzierung soll durch Lotteriegelder erreicht werden.
  7. Abzäunen von Uferrandstreifen gegen Viehverbiss bei Westen
  8. Südlich Westen hat der NABU die gesamte Uferböschung einer Viehweide mit Genehmigung des Landwirts in jedem Jahr während der Viehaustriebszeit mit Elektrozäunen abgesichert und im ersten Jahr teilweise mit Weidenstecklingen bepflanzt. Für das Tränken des Viehs wurden von der Freiwilligen Feuerwehr Westen zwei Brunnen geschlagen.
  9. Deckungsfreie Uferbereiche im Unterhaltungsbezirk des WSA Verden
  10. Diese werden durch Verhandlungen des NABU mit diesem Amt in Aussicht gestellt. Die Aufnahme der Steinschüttungen und der Folien soll an geraden Fließstrecken und an Gleithängen je nach Arbeitsanfall eingeplant werden.
  11. Uferbepflanzung an der Aller zwischen Barnstedt und Westen mit Weiden
  12. Der NABU hat mit Zustimmung des WSA Verden die von diesem Amt zur Verfügung gestellten rund 1.000 Weidenstecklingen an drei Uferabschnitten zwischen die Steinschüttungen eingebracht, so dass eine Ufersicherung durch eine Steinschüttung dort nicht mehr nötig ist.
  13. Großflächiger Uferrandstreifen nahe der Eisenbahnbrücke bei Verden
  14. Ein etwa 20 m breiter Streifen entlang der Aller wurde im Bereich einer Viehweide der Gemeinde Dörverden auf Anregung des NABU aus der Nutzung genommen. Die intensive Beweidung hatte zur Folge, dass dort nur artenarmes Weidegras gedieh. Jegliche übrige Ufervegetation fehlte bisher.