Tag für Tag schreitet der Artenschwund voran, gehen Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich verloren. Die Ursachen sind komplex, doch spielen vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft mit ihren hohen Pestizideinsätzen und dem Verlust an kleinräumigen Strukturen wie Hecken, Wegränder und Feldraine, die Versiegelung von Freiflächen durch den Bau von Verkehrswegen und die Ausdehnung von Siedlungs- und Gewerbeflächen eine zentrale Rolle. Obwohl öffentlichen und privaten Grünflächen eine steigende Bedeutung für Artenvielfalt und Naturerleben zukommt, ist der Trend zu pflegeleichten Gärten mit Kies- und Schotterflächen, Pflasterungen, sterilen Rasenflächen und fremdländischen Gewächsen ungebrochen. Als Reaktion auf den dramatischen Rückgang an Wildbienen, Hummeln, Wespen, Schwebfliegen und Schmetterlingen sind in letzter Zeit jedoch vor allem so genannte Schottergärten aufgrund ihrer verheerenden Auswirkungen auf die Biodiversität in die Kritik geraten. Durch die Versiegelung geht das Bodenleben mangels Luft und Wasser verloren, Wildkräuter und heimische Pflanzen können nicht mehr gedeihen, Insekten finden weder Nektar noch Pollen und infolge ihres Schwundes können Vögel und Fledermäuse ihren Nachwuchs nicht mehr ausreichend versorgen. Außerdem wird die Grundwasserneubildung durch versickerndes Regenwasser unterbunden und das Mikroklima gestört, da mit Schotter, Kies, Splitt, Pflaster oder Steinplatten versiegelte Böden kein Wasser aufnehmen, speichern und bei steigenden Temperaturen verdunsten können. Die Folge: Der positive Kühlungseffekt lebendiger Böden geht verloren, es entstehen Hitzeinseln, die sich negativ auf die Lebensqualität und die Tier- und Pflanzenvielfalt auswirken.
Auch wenn es sich inzwischen herumgesprochen hat, dass nicht überbaute Flächen nach § 9 Abs. 2 der Niedersächsischen Bauordnung als Grünflächen anzulegen sind und einige Städte und Gemeinden im Heidekreis angekündigt haben, gegen die „Gärten des Grauens“ vorzugehen, ist bislang wenig geschehen. „Wer mit offenen Augen durch Wohngebiete geht, wird immer wieder sterile Steinwüsten statt blühender Gärten sehen“, sagt der 1. Vorsitzende des NABU Heidekreis, Klaus Todtenhausen, und führt weiter aus: „Nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg am 18. Januar 2023 das zuvor ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover gegen Schottergärten bestätigt hat, möchten wir die Unteren Baubehörden nachdrücklich auffordern, für die Herstellung und Sicherung rechtmäßiger Zustände zu sorgen und ggf. die komplette Beseitigung der Schottergärten anzuordnen“.
„Das heißt jedoch nicht, dass Steinliebhaber gänzlich auf ihr bevorzugtes Gestaltungselement verzichten müssen“, betont Pressesprecherin Dr. Antje Oldenburg. Sie können zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen, indem sie Kies und Steine an einigen Stellen gezielt einsetzen, um einen optimalen Standort für alpine und trockenheitsverträgliche Pflanzen zu schaffen. Denn mit Steinbrech-, Glockenblumen-, Thymian- und Enzianarten bepflanzte Steingärten sind nicht nur eine Augen- sondern auch eine Bienenweide und bieten mit ihren vielen Spalten und Ritzen ideale Brutplätze für Solitärbienen sowie Schutz und Lebensraum für Reptilien und weitere Insektenarten.