Seit im Frühjahr 2012 die ersten Wolfswelpen auf dem Truppenübungsplatz Munster Nord geboren wurden, stehen die niedersächsischen Weidetierhalter/innen vor neuen Herausforderungen. Rund 150 Jahre lang hatte sich im wolfsfreien Deutschland niemand mehr ernstlich Gedanken um Herdenschutz vor großen Beutegreifern gemacht. Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde weideten auf eingezäunten Koppeln, doch waren die Zäune bestenfalls geeignet, die Herde zusammen zu halten. Schutz vor Eindringlingen boten sie nicht. Bewährte Methoden waren in Vergessenheit geraten und mussten wieder erlernt oder vor dem Hintergrund geänderter Haltungsbedingungen und der Entwicklung neuer Technik modifiziert werden.
Neben verschiedenen festen und mobilen Zaunsystemen, die bei fachgerechter Elektrifizierung und Erdung eine wolfsabweisende Wirkung haben, greifen immer mehr Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter auf eine uralte Kulturtechnik zurück, die bis zur Jahrhundertwende nur noch in wenigen europäischen Bergregionen der Karpaten, Pyrenäen, Abruzzen und des Apennin praktiziert wurde: Der Einsatz von ausgebildeten Herdenschutzhunden, die gemeinsam mit Schafen, Ziegen oder anderen Weidetieren aufwachsen und durch Präsenz in ihrer Herde maßgeblich zur Sicherheit der Weidetiere vor Wölfen, Luchsen, Vielfraßen und Bären beitragen. Dabei kommt es weniger darauf an, dass die robusten und wetterfesten Hunde den Beutegreifern körperlich überlegen sind, sondern durch Wachsamkeit, Kontrolle, Markieren und Verbellen eine abschreckende Wirkung entfalten. Trotz ihrer großen, kräftigen Statur und ihres Phlegmas sind Maremmano Abruzzesen, Pyrenäenberghunde,Kuvasz und Kangals sehr bewegliche und reaktionsschnelle Hunde, die innerhalb weniger Sekunden ihre stoische Gelassenheit ablegen, um das Eindringen von unbekannten Tieren und Menschen in ihr Territorium zu verhindern.
Welche Eigenschaften und Voraussetzungen Herdenschutzhunde haben müssen, um sich als vierbeinige Wächter und Beschützer zu bewähren, können Interessierte bei einem gemeinsamen Besuch der Schäferei Wümmeniederung in Scheeßel-Sothel erfahren, die seit vielen Jahren von Nicole und Holger Benning im Haupterwerb betrieben wird und mit ihren Schaf- und Ziegenherden vor allem in der Biotop- und Landschaftspflege zwischen Scheeßel, Tostedt, Schneverdingen und Hamburg tätig ist. Das Ehepaar hält nicht nur alte Landrassen wie die Gehörnte Heidschnucke, das Bentheimer Landschaf, die dänische Landrasseziege und die bunte deutsche Edelziege, sondern verfügt als Zucht- und Ausbildungsbetrieb für Herdenschutzhunde und anerkannter „Schulungsbetrieb Herdenschutz“ über einen reichen Erfahrungsschatz im Einsatz und Umgang mit Herdenschutzhunden, den sie gerne an Berufskollegen, Hobbytierhalter, Naturschützer und Hundefreunde weitergeben. Da der Besuch anlässlich des „Tag des Wolfes“ am 30. April bereits ausgebucht ist, besteht zusätzlich am 7. Mai die Gelegenheit, die Schäferei Wümmeniederung kennen zu lernen und die Kangals beim Einsatz in ihrer Herde live zu erleben. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine Anmeldung bei Dr. Antje Oldenburg (Tel. 05164-801113) notwendig. Die rund zweistündige Veranstaltung beginnt um 14.00 Uhr und kostet pro Person 10 Euro.